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Ingrid Luschin "Im Fließenden"
Am Anfang war der Impuls, ein körperlicher Zustand allenthalben. Ihn übersetzt Ingrid Luschin dann in Bewegung, in die malerische Geste, die sich spontan am Blatt auswirkt. So entwickelt sich das Bild von einem Nukleus aus, setzt sich schrittweise zusammen, bis es stimmig ist. Dass dann die Gegenstände noch kaum konturiert, noch fast zur Gänze ungreifbar verblieben sind, dass dann noch viel Weiß zwischen den sich zaghaft formierenden, gleichwohl oft lichterloh brennenden Farbflecken ist, stört nicht. Schließlich geht die Künstlerin in ihrer Ausstellung auch von Heraklits panta rhei aus. "Im Fließenden" sind die in Öl und Aquarell recht luftig gesetzten Farb-Denkräume übertitelt und gruppieren sich um jenes Bild, das Luschins kunsthistorischen Bezugspunkt offensichtlich werden lässt. Der liegt bei Max Weilers zart abstrakten Landschaften, die sich auch eher inneren, spirituellen Erlebnissen verdankten als gegenstandsbezogener Imitation.
(FALTER zur Ausstellung in der Galerie Leechgasse in Graz, 2008)
Bilder aus dem Fluss existenzieller und spiritueller Lebensmomente
Subjektiven Stimmungen, Alltagserlebnissen, inneren Bildern, vor allem aber der Erfahrung an konkreten spirituellen Orten wie Lourdes verdanken sich die Bilder der Künstlerin Ingrid Luschin.
Gelernt hat die gebürtige Kärntnerin in Wien an der Akademie der Bildenden Künste bei Markus Prachensky, einem der vier Künstler aus der Gruppe St.Stephan, die sich um den legendären Künstlerseelsorger Otto Mauer formierte.
Wichtiger als die Beschäftigung mit Bildtektonik, die sie bei ihm gelernt hat, ist ihr im Lauf ihrer künstlerischen Entwicklung der Einfluss von Max Weiler und seine Konzentration auf die "innere Figur" geworden, oder Maria Lassnigs "Body-Awareness-Painting".
Malen ist für Luschin immer ein psychischer und physischer, vor allem aber ein spiritueller Akt. In ihrer gestischen Malerei, die sich auf der spannungsvollen Grenze zwischen Abstraktion und Figuration bewegt, tauchen subjektive Erinnerungsbilder ebenso auf wie äussere Beobachtungen, immer aber geht es um das Festhalten entscheidender Momente, die durch die Transformation ins Bild der Flüchtigkeit des Zeitenflusses entrissen werden.
Alois Kölbl
(zur Ausstellung "Im Fliessenden" 2008, KHG-Galerie Leechgasse,Text aus dem steirischen "Sonntag")
Die Intimität der Offenheit
Eines der Probleme der bildenden Kunst und der dazugehörigen Kunstgeschichte ist die Wirklichkeit die auf der Leinwand zu sehen sein wird wenn der Künstler seine Arbeit vollendet hat. Der interessanteste Aspekt dieses Problems ist der des Raumes, genauer gesagt der Raum der Leinwand, diese Fläche die bespannt ist, diktiert dem Künstler und dem Kunsthistoriker seit je mehr Fragen als Antworten.
Eine schöne Art dieses Problems der Wirklichkeit auf der Leinwand hat die Malerin Ingrid Luschin gefunden indem sie der Sensibilität Ausdruck gibt, die sich übers nonverbale Erfassen der Dinge artikuliert. Man könnte meinen der Raum der Leinwand ist Nebensache, denn die Arbeiten von Ingrid Luschin sind von großer Sensibilität was man sofort spürt wenn man die Art ihrer Pinselführung betrachtet. Keineswegs ist jetzt damit gemeint dass sie feenhaft fragil und zarte Linien auf der Leinwand anbringt- nein im Gegenteil- manche Werke von ihr wirken in der Linienführung sehr stark aber genau das macht ihre Sensibilität in ihren Werken aus- wenn man sie erblickt sieht man große Sensibilität- und Sensibilität meint immer die Kapazität Schweres tragen zu können im Angesicht der Zerbrechlichkeit, der wortlose Ausdruck dessen was ist: die große Zerbrechlichkeit von allem Seienden und gleichzeitig die Brutalität die jede Zerbrechlichkeit mit sich bringt, das ist die Basis der Arbeiten von Luschin.
Unterschiedliche Perioden hat die Künstlerin durchlebt die man an ihren Werken gut sehen kann, von den Abschlussarbeiten an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Prachensky - wo sie beinahe düster und erdig mit viel braun und dunklem grün arbeitete oder später wo sich ihre Werke lichten- die Leinwand mehr durchkommt- der Raum offen ist- man sich fast verliert, weil einfach so viel Raum frei zu sein scheint. Beim Anblick ihrer Bilder möchte man den Raum den Luschin großzügig einfach sein lässt, irgendwie schützen. Ihre Bilder referieren zu Dürer, eine große Schwäche zu Marienbildern ist zu erkennen, feinfühlige Landschaften und zarte Farben- erzählen von Paaren, Trennung, Tod und Figuren im Detail die sie manchmal gar unbeabsichtigt in ihr Bild einbringt.
In ihrem Atelier sind ihre Bilder so aufgestellt dass man meint es wären Zyklen die sie da malt über Jahre hinweg- sich an Fotographien orientierend- Momente festhält- und dennoch sind es keine Zyklen im strengen Sinn- sie spielt mit ihrer eigenen Ausdrucksform beobachtet sich durch ihre Bilder, ganz so als ob ihre Bilder ein Fenster zu sich wären.
Die Frage wie viel wovon auf welche Art auf der Leinwand zu sehen ist- die alte Frage der Künstler und Kunsthistoriker- ist eine unbeantwortbare Frage. Unbeantwortbare Fragen sind keine Fragen, sie sind Einladungen zum Spiel mit der Farbe und der Weite, so eine Art der Einladung die Ingrid Luschin mit selbstbewusster Sensibilität angenommen hat und an ihren eigenen Werken dadurch zu wachsen in der Lage ist, und so ihre eigene Schülerin und Lehrmeisterin ist.
( Damals hab ich geglaubt, dass man leiden muss ..irgendwie.. um was herauszubringen. Ich glaube, dass ich das "Spielerische", "Leichte" damals nicht ernst genommen habe. )
Ob ihre frühen Werke oder ihre heutigen Werke, da ist eine sonderbare Grundtendenz von Luschin dem Leinwand Raum zu geben die sich in den letzten Jahren mit einer starken Sensibilität verbunden- eine Offenheit und Zerbrechlichkeit ausdrückt, die berührt.
Maga Shoka Golsabahi, Kunsthistorikerin